Alkoholabhängigkeit: Unterschied zwischen den Versionen

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* Disulfiram (Antabus): aversive Wirkung, nur unter fachärztlicher Aufsicht
* Disulfiram (Antabus): aversive Wirkung, nur unter fachärztlicher Aufsicht
* Acamprosat: NMDA-Rezeptor-Blockade
* '''Acamprosat''': NMDA-Rezeptor-Blockade (Glutamat-Antagonist) → mindert Suchtdruck
* Naltrexon: Opiat-Rezeptor-Antagonist
* '''Naltrexon''': Opiat-Rezeptor-Antagonist → mindert "Belohnungseffekt" durch Alkohol


[[Kategorie:Psychiatrie]]
[[Kategorie:Psychiatrie]]

Version vom 10. April 2016, 14:27 Uhr

Epidemiologie

  • Lebenszeitprävelanz = 13-26%
  • Punktprävalenz = 2,5%
  • m:w = 2,5:1
  • höchster Anteil 17-22 J.
  • in Allgemeinkrankenhäusern (internistisch/chirurgisch) > 10% Alkholabhängigkeit, >5% schädlicher Gebrauch
  • > 50% Rüclfall innerhalb 1-2 Jahre
  • weniger als 1% adäquate Therapie (Entwöhnung)

Neurobiologie

  • Stimulation GABA-Rezeptor → Dämpfung
  • Blockade NMDA-Rezeptor (Glutamat) → Sedierung (kompensatorisch: Anstieg der Rezeptordichte
  • Dopamin → Belohung → "Suchtgedächtnis"
  • Opiatrezeptoren → angenehme Empfindungen
  • bei Entzug:
    • Überaktivität Glutamat/NMDA → vegetative Dysfunktion
    • fehlende Dämpfung durch GABA → Krampfanfälle

Diagnose

  • 1 Flasche Bier (0,5 l) = 20 g Alkohol
  • 1 Flasche Wein (0,75 l) = 60 g Alkohol
  • riskanter Gebrauch: dauerhaft > 24 g Alkohol/Tag (m) bzw. > 12 g Alkohol/Tag (W)
  • schädlicher Gebrauch: körperliche oder psychische Störung bereits eingetreten (nicht soziale Probleme)
  • Abhängigkeit (ICD-10-Kriterien):
    • in den letzten 12 Monaten mind. 3 Kriterien gleichzeitig
      1. starker Wunsch/Zwang, Alkohol zu konsumieren
      2. verminderte Kontrolle über Beginn, Menge und Beendigung
      3. körperliche Entzugssymptome bei Beendigung/Reduktion
      4. Toleranzentwicklung
      5. Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Alkoholkonsums
      6. anhaltender Konsum trotz Nachweis schädlicher Folgen, dem dem Konsumenten bewusst sind

Screening-Fragen mit höchster Treffsicherheit (AUDIT-C)

  1. Wie oft trinken Sie sechs oder mehr alkoholische Getränke bei einer Gelegenheit?
  2. Haben Sie jemals morgens zuerst Alkohol getrunken, um sich nervlich zu stabilisieren oder den Start in den Tag zu erleichtern?
  3. Hat sich infolge Ihres Alkoholkonsums im letzten Jahr etwas ereignet, von dem Sie nicht wollten, das es geschieht?

(Mitchell AJ et al. Accuracy of one or two simple questions to identify alcohol-use disorder in primary care: a meta-analysis.)

Therapie

  • 5 Stadien:
    1. Motivation
      • Psychoedukation, Verdeutlichung der körperlichen/psychosozialen Folgen
      • Einbeziehung des sozialen Umfelds, Co-Abhängigkeit
    2. Entgiftung:
      • in D meist stationär 1-3 Wochen
      • körperlicher Entzug meist 3-5 Tage
      • Entzugssymptome:
        • Übelkeit, Nervosität, Schlafstörungen, Craving ("Saufdruck"), Gereiztheit, depressive Verstimmung
        • starkes Schwitzen, Zittern (vor allem der Hände), grippeähnliche Symptome
        • Krampfanfälle
        • Prädelir: Halluzinationen, Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, Schwitzen/Zittern, Krampfanfälle
        • Delirium tremens: Desorientiertheit, Übererregbarkeit, psychotische Erscheinungen (illusionäre Verkennung, optische/taktile Halluzinationen, vegetative Entgleisung mit Fieber, Bluthochdruck, Tachykardie, Hyperhidrose, Tremor
        • 7% der Delirien lebensgefährlich mit schweren Kreislaufstörungen
        • protrahiertes Entzugssyndrom: Rückfallgefahr, Suizidrisiko
      • medikamentöse Unterstützung
        • in D meist Clomethiazol (Distraneurin)
        • Benzodiazepine: Lorazepam, Diazepam, Clonazepam (Rivotril)
        • Bernburg Schema: Carbamazepin 200 mg + Tiaprid 300 mg, jeweils 4xtgl. d1-5, Ausschleichen d6-d12
          • beide Substanzen nicht abhängig-machend → Vorteil für ambulante Entgiftung
          • Carbamazepin gegen Entzugskrämpfe
          • Tiaprid (Neuroleptikum) gegen vegetative Entzugsbeschwerden
          • keine starke Sedierung → begleitende Therapie möglich
    3. Entwöhnung:
      • moderne Akuttherapie: qualifizierte Entzugsbehandlung
        • 3-6 Wochen
        • Entgiftung + Motivation zur Entwöhnung + Kontakte Sozialpsychiatrie + Selbsthilfegruppen
    4. Langzeitbehandlung
      • frühzeitiger therapeutischer Kontakt
      • Interventionen mt Fokus auf Abgängigkeitserkrankung
      • konkrete Ziele
      • konkrete pathologische Befunde und deren Besserung unter Abstinenz
      • Informationen über weitere Angebote
      • aktive Hilfe bei anliegenden Problemen
      • Motivation, Hilfe anzunehmen
      • Langzeit-Ziel: zufriedene Abstinenz (oft erst nach Monaten bis Jahren)
    5. Abstinenzerhaltung
      • wichtigster Faktor: regelmäßige Teilnahme an Selbsthilfegruppe

medikamentöse Rückfallprophylaxe

  • Disulfiram (Antabus): aversive Wirkung, nur unter fachärztlicher Aufsicht
  • Acamprosat: NMDA-Rezeptor-Blockade (Glutamat-Antagonist) → mindert Suchtdruck
  • Naltrexon: Opiat-Rezeptor-Antagonist → mindert "Belohnungseffekt" durch Alkohol