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** '''Flüssigkeit''', Elektrolyausgleich, BZ-Kontrolle
** '''Flüssigkeit''', Elektrolyausgleich, BZ-Kontrolle
** Polypharmazie → nicht notwendige Medikamente pausieren, insbesondere solche mit anticholinerger Nebenwirkung (Prednison, Nifedipin, Digoxin, TZA, Antibiotika, Furosemid)
** Polypharmazie → nicht notwendige Medikamente pausieren, insbesondere solche mit anticholinerger Nebenwirkung (Prednison, Nifedipin, Digoxin, TZA, Antibiotika, Furosemid)
* '''Reorientierung und Mobilisation:'''
** eigenes Hörgerät, Brille
** Uhr/Kalender gut sichtbar
** viel Mobilisation am Tag
** möglichst feste Ansprechpartner
** Angehörige einbeziehen
** Schlaf-Wach-Rhythmus unterstützen: nachts möglichst dunkel und keine Störungen
* Medikation sehr zurückhaltend, da selber potentiell delirogen:
* Medikation sehr zurückhaltend, da selber potentiell delirogen:
** '''Neuroleptika nur bei produktiver Symptomatik''':  
** '''Neuroleptika nur bei produktiver Symptomatik''':  

Version vom 28. August 2020, 12:01 Uhr

Grundlagen

  • ätiologisch unspezifisches hirnorganisches Syndrom
  • akutes, schweres, prinzipiell reversibles, organisch bedingtes Psychosyndrom mit Bewusstseinsstörung
  • entweder organische Ursache oder Drogen/-entzug
  • ICD-10-Kriterien: ICD-10-Delir
  • weitere Symptome:
    • optische Halluzinationen (kleine Tiere, auf der Haut)
    • Wahnvorstellungen, Suggestibilität
    • motorische Unruhe, nestelnde Bewegungen
    • affektive Störungen: Depression, Angst, Euphorie, Reizbarkeit

Ursachen

  • ZNS: Ischämie, Blutung, Tumor, SHT, Epilepsie, Meningitis, Enzephalitis, Demenz
  • systemische Erkrankungen: Infektionen, Fieber
  • postoperativ: Harnverhalt!
  • Stoffwechselstörungen: Hypo-/Hyperglykämie, Nieren-/Leberversagen, Azidose/Alkalose, Vitaminmangel
  • Elektrolytstörungen, Dehydratation
  • postoperativ (Anästhesie)
  • Medikamente: Umstellung, Überdosierung, UAW, Entzug (z.B. Opiate)
  • Drogen-/entzug

Diagnostik

  • körperliche Untersuchung (Blasenfüllung!)
  • Vitalparameter, EKG, Körpertemperatur
  • Labor: Alkoholspiegel, Glukose, Elektrolyte, Leber/Nierenwerte, Entzündungszeichen, Blutbild
  • Urinstatus mit Drogenscreening
  • zerebrale Bildgebung: cCT, wenn möglich MRT
  • ggf. EEG z.A. Epilepsie
  • Röntgen-Thorax
  • ggf. Lumbalpunktion

Therapie

  • Verlauf nicht vorhersagbar → psychiatrischer Notfall!
  • Komplikationen: Herzversagen, Atemstillstand, Stoffwechselstörungen
  • Ursache beheben (Exsikkose, Infektionen, Elektrolytentgleisungen)
    • Flüssigkeit, Elektrolyausgleich, BZ-Kontrolle
    • Polypharmazie → nicht notwendige Medikamente pausieren, insbesondere solche mit anticholinerger Nebenwirkung (Prednison, Nifedipin, Digoxin, TZA, Antibiotika, Furosemid)
  • Reorientierung und Mobilisation:
    • eigenes Hörgerät, Brille
    • Uhr/Kalender gut sichtbar
    • viel Mobilisation am Tag
    • möglichst feste Ansprechpartner
    • Angehörige einbeziehen
    • Schlaf-Wach-Rhythmus unterstützen: nachts möglichst dunkel und keine Störungen
  • Medikation sehr zurückhaltend, da selber potentiell delirogen:
    • Neuroleptika nur bei produktiver Symptomatik:
      • Beginn mit niedrigen Dosierungen
      • wenn möglich oral, z.B. Haloperidol 0,5-2mg, Risperidon 0,5-1mg, Olanzapin 5-10mg, Quetiapin 50-100mg, bei alten Pat. evtl. nur halbe Dosis
      • alternativ parenteral, z.B. Haloperidol 1-2mg i.m. alle 2-4h
    • Antisympathikotonika: Clonidin, Dexmedetomidin bei starker Agitation
    • Benzodiazepine nur bei Agitation: idealerweise kurzwirksame, z.B. Lormetazepam oder Midazolam
      • Lorazepam 0,5-1mg so wenig wie möglich, maximal 7,5mg/24h (v.a. bei jüngeren PatientenI
      • (Diazepam ungeeignet: anticholinerge Wirkung (verstärkt Delir), lange HWZ, wird über Leber eliminiert)
  • Cave: BZD, Opioide, Antihistaminika, anticholinerg wirksamen Substanzen können delirante Zustände verstärken!

Alkoholentzugsdelir/Delirium tremens

  • Symptome:
    • vegetative Entgleisung: RR↑, HF↑, Schwitzen, Tremor
    • Desorientiertheit
    • Suggestibilität
    • optisch-taktile/zoenästhetische Halluzinationen
  • Therapie:
    • Clomethiazol: nach Sedierungsgrad und Schwere der Entzugssymptome → z.B. nach [AESB]
    • Neuroleptikum + BZD
    • bei hohen RR-Werten Clonidin
    • bei vorherigen Krampfanfällen: Carbamazepin, Valproat
    • (nicht Haloperidol alleine → längere Dauer, erhöhte Mortalität

Delir bei Demenz

  • oft grenzwertig kompensierte Demenz, exazerbiert z.B. durch Infektionen, Exsikkose, (anticholinerge!) Medikamente
  • oft hypoaktive Variante
  • oft lang andauernd (Wochen!)
  • Therapie:
    • Haloperidol oder Risperidon oral, i.m. (sehr niedrig dosiert)
    • BZD nur bei starker Agitation
    • wichtig nicht-pharmakologischen Behandlung: Angehörige, Uhr/Kalender, Fotos, vertraute Gegenstände, Reizabschirmung, Tag-Nacht-Rhythmus

Weblinks