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== Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kinder- und Jugendalters ==
* '''Einteilungsmerkmale''':
** Symptomatik
** Zeit und Verlauf
** Ätiologie
* '''Nomenklatur''' = Begriffsdefinitionen
* '''Nosologie''' = Krankheitslehre, Einteilung von Krankheiten / Entitäten
** Annahme: eindeutige Ätiologie, spezifische Symptomatik, typischer Verlauf/Progrone, Therapie
** bei psychischen Krankheiten nicht möglich
* Krankheit = "ein Fall von..."
* '''Syndrom''' = Zustandsbild
* '''Klassifikation''':
** dimensional: Schweregrad
** kategorial: Zuordnung zu Kategorie
** Typen = typische Gebilde (z.B. Persönlichkeitsstörungen)


{| class="wikitable" width="90%"
== klinische Diagnostik ==
! Achse !! Titel !! Inhalt
|-
| 1
| '''klinisch-psychiatrisches Syndrom'''
| Diagnosen nach ICD-10:
'''Altersbezogene Störungen:'''
* F84 Tiefgreifende Entwicklungsstörungen
* F90-F98 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
* F99 Nicht näher bezeichnete psychische Störung
'''Störung ohne eigenen Altersbezug:'''
* F00-F09 Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
* F10-F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
* F20-F29 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
* F30-F39 Affektive Störungen
* F40-F48 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
* F50-F59 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren
* F60-F69 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
|-
| 2
| '''umschriebene Entwicklungsrückstände'''
| Abweichungen vom allgemeinen Entwicklungsniveau des Kindes/Jugendlichen
* F80 Sprechen und Sprache
* F81 schulische Fertigkeiten
* F82 motorische Funktionen
* F83 kombinierte Entwicklungsstörungen
* F88 andere Entwicklungsstörungen
* F89 n.n.b. Entwicklungsstörung 
|-
| 3
| '''Intelligenzniveau'''
| psychometrische oder klinische Einschätzung:
* sehr hohe/weit überdurchschnittliche Intelligenz IQ > 129
* hohe/überdurchschnittliche Intelligenz IQ 115 – 129
* normale Intelligenz IQ 85 - 115
* Normvariante durchschnittliche Intelligenz IQ 85 – 84
* niedrige/unterdurchschnittliche Intelligenz IQ 70 – 84
F7 Intelligenzminderung:
* F70 leichte Intelligenzminderung/Debilität IQ 50 – 69
* F71 mittelgradige Intelligenzminderung/Imbezillität IQ 35 – 49
* F72 schwere Intelligenzminderung/Ausgeprägte Imbezilität IQ 20 – 34
* F73 schwerste Intelligenzminderung/Idiotie IQ < 20
*.Intelligenzniveau nicht bekannt (Weder durch klinische noch durch psychometrische Einschätzung einschließlich F78 und F79)
F78 sonstige Intelligenzminderung
F79 nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung
|-
| 4
| '''Krankheiten aus anderen Kapiteln der ICD-10'''
| Nicht-psychiatrische Krankheiten und Syndrome
|-
| 5
| '''Assoziierte aktuelle abnorme psychosoziale Umstände'''
| ursächliche oder für den Therapieverlauf relevante psychosoziale Umstände (z.B. Behinderung eines Elternteils):
* 0 keine Probleme
* 1 abnorme intrafamiliäre Beziehungen
** 1.0 Mangel an Wärme in der Eltern-Kind-Beziehung (Z62.5)
** 1.1 Disharmonie in der Familie zwischen Erwachsenen (Z63.0)
** 1.2 Feindliche Ablehnung oder Sündenbockzuweisung gegenüber dem Kind (Z62.3)
** 1.3 Körperliche Kindesmisshandlung (Z61.6)
** 1.4 Sexueller Missbrauch (innerhalb der Familie) (Z61.4)
** 1.8 Andere
* 2 Psychische Störung, abweichendes Verhalten oder Behinderung in der Familie
** 2.0 Psychische Störung / abweichendes Verhalten eines Elternteils (Z63.7)
** 2.1 Behinderung eines Elternteils (Z63.7)
** 2.2 Behinderung der Geschwister (Z63.7)
** 2.8 Andere
* 3 inadäquate oder verzerrte intrafamiliäre Kommunikation (Z62.8)
* 4 Abnorme Erziehungsbedingungen
** 4.0 Elterliche Überfürsorge (Z62.1)
** 4.1 Unzureichende elterliche Aufsicht und Steuerung (Z62.0)
** 4.2 Erziehung, die eine unzureichende Erfahrung vermittelt (Z62.8)
** 4.3 Unangemessene Anforderungen und Nötigungen durch die Eltern (Z62.6)
** 4.8 Andere
* 5 Abnorme unmittelbare Umgebung
** 5.0 Erziehung in einer Institution (Z62.2)
** 5.1 Abweichende Elternsituation (Z60.1)
** 5.2 Isolierte Familie (Z63.7)
** 5.3 Lebensbedingungen mit möglicher psychosozialer Gefährdung (Z59.1)
** 5.8 Andere
* 6 Akute, belastende Lebensereignisse
** 6.0 Verlust einer liebevollen Beziehung (Z61.0)
** 6.1 Bedrohliche Umstände infolge von Fremdunterbringung (61.1)
** 6.2 Negativ veränderte familiäre Beziehungen durch neue Familienmitglieder (Z61.2)
** 6.3 Ereignisse, die zur Herabsetzung der Selbstachtung führen (Z61.3)
** 6.4 Sexueller Missbrauch (außerhalb der Familie) (Z61.5)
** 6.5 Unmittelbare, beängstigende Erlebnisse /Z61.7)
** 6.8 Andere
* 7 Gesellschaftliche Belastungsfaktoren
** 7.0 Verfolgung oder Diskriminierung (Z60.5)
** 7.1 Migration oder soziale Verpflanzung (Z60.3)
** 7.8 Andere
* 8 Chronische zwischenmenschliche Belastung im Zusammenhang mit Schule und Arbeit (Z55 = Schule, Z56 = Arbeit)
** 8.1 Streitbeziehungen mit Schülern / Mitarbeitern (Z55.4, Z56.4)
** 8.2 Sündenbockzuweisung durch Lehrer / Ausbilder (Z55.4, Z56.4)
** 8.3 Allgemeine Unruhe in der Schule bzw. Arbeitssituation (Z55.8, Z56.8)
** 8.8. Andere
* 9 Belastende Lebensereignisse / Situationen infolge von Verhaltensstörungen / Behinderungen des Kindes (Z72.8)
** 9.1 Institutionelle Erziehung (Z62.2)
** 9.2 Bedrohliche Umstände infolge von Fremdunterbringung (Z61.1)
** 9.3 Abhängige Ereignisse, die zur Herabsetzung der Selbstachtung führen (Z61.3)
** 9.8 Andere
|-
| 6
| '''Globale Beurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus'''
| psychologische, soziale oder schul-berufliche Funktionsfähigkeit, bezogen auf die psychische Störung, Entwicklungsstörung oder intellektuellen Behinderung; Angaben kompetenz- und nicht defizitbezogen.
# Herausragende / gute soziale Funktionen: Herausragende / gute soziale Funktionen in allen sozialen Bereichen. Gute zwischenmenschliche Beziehung mit Familie, Gleichaltrigen und Erwachsenen außerhalb der Familie; kann sich mit allen üblichen sozialen Situationen effektiv auseinander setzen und verfügt über ein gutes Spektrum an Freizeitaktivitäten und Interessen.
# Mäßige soziale Funktion: Insgesamt mäßige soziale Funktion, aber mit vorübergehenden oder geringeren Schwierigkeiten in nur ein oder zwei Bereichen (das Funktionsniveau kann – aber muss nicht – in ein oder zwei Bereichen hervorragend sein).
# Leichte soziale Beeinträchtigung: Adäquates Funktionsniveau in den meisten Bereichen aber leichte Schwierigkeiten in mindestens ein oder zwei Bereichen (wie z.B. Schwierigkeiten mit Freundschaften, gehemmte soziale Aktivitäten/Interessen, Schwierigkeiten mit innerfamiliären Beziehungen, wenig effektiv soziale Coping-Mechanismen oder Schwierigkeiten in den Beziehungen zu Erwachsenen außerhalb der Familie).
# Mäßige soziale Beeinträchtigung: Mäßige Beeinträchtigung in mindestens ein oder zwei Bereichen.
# Ernsthafte soziale Beeinträchtigung: Ernsthafte soziale Beeinträchtigung in mindestens ein oder zwei Bereichen (wie z.B. erheblicher Mangel an Freunden, Unfähigkeit, mit neuen sozialen Situationen zurecht zu kommen oder Schulbesuch nicht mehr möglich).
# Ernsthafte und durchgängige soziale Beeinträchtigung: Ernsthafte Beeinträchtigung in den meisten Bereichen.
# Funktionsunfähig in den meisten Bereichen: Benötigt ständige Aufsicht oder Betreuung zur basalen Alltagsbewältigung; ist nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen.
# Schwere und durchgängige soziale Beeinträchtigung: Manchmal unfähig für eine minimale Körperhygiene zu sorgen, oder braucht zeitweise strenge Beaufsichtigung um Gefahrensituationen für sich selbst oder andere zu verhüten, oder schwere Beeinträchtigung in allen Bereichen der Kommunikation.
# Tiefe und durchgängige soziale Beeinträchtigung: Ständige Unfähigkeit für die eigene Körperhygiene zu sorgen, oder ständige Gefahr, sich selbst oder Andere zu verletzen oder völliges Fehlen von Kommunikation.
# Nicht zutreffend / nicht einschätzbar.
|}


http://www.propaedeutikum-graz.at/download/Multiaxiales%20Klassifikationsschema%201.pdf
* psychoanalytisches Erstgespräch:
** Übertragung/Gegenübertragung
** gleichschwebende Aufmerksamkeit
* interaktionelles Interview nach Balint:
* biographische Anamnese nach Dührssen/Rudolf
* strukturelles Interview nach Kernberg: Persönlichkeitsorganisation, Funktionsniveau (neurotisch/Borderline/psychotisch)
* [[OPD]]
* '''Verhaltensbeobachtung''':
** beobachtbar
** subjektiv
** physiologisch (&rarr; BFB)
* '''Verhaltenstest''':
** in sensu: Imagination
** in vivo: Experiment, Rollenspiel
** in vitro: Virtual Reality
* '''Selbstbeobachtung''': Tagebücher, Protokolle &rarr; nicht zu lange, in Therapie besprechen &rarr; Motivation
* '''soziale Anamnese''':
** Stressoren, typische Stressreaktion
** Arbeit
** Freizeit
** Wohnsituation
** soziale Anamnese
* '''Rollenkonflikte'''::
** Intra-Rollenkonflikt: z.B. Arzt &rarr; Patient, Arbeitgeber, Krankenkasse, Gemeinschaft, ...
** Inter-Rollenkonflikt: z.B. Beruf + Familie
* '''soziale Unterstützung''':
** emotional
** materiell/praktisch
** soziale Unterstützung
* '''körperliche Untersuchung''':
** essentiell!
** Patient &rarr; mit körperlichen Beschwerden angenommen, "abgeholt"
** intensiviert Beziehung
** Informationen auf Sach- und Beziehungsebene
** Übertragung/Gegenübertragung


[[Kategorie:Grundlagen]]
== Klassifikationssysteme ==
 
* ICD-10, DSM-IV / V
* deskriptiv-phänomenologisch = rein symptomorientiert &rarr; Syndromdiagnose
* operationalisierte Diagnostik:
** Ein-/Ausschlusskriterien, Zeit-/Verlaufskriterien
** Verknüpfungsregeln &rarr; Entscheidungsbäume &rarr; IDCL
* multiaxiale Ansätze
* Komorbiditätsprinzip &rarr; Haupt-/Nebendiagnosen &rarr; Abkehr von Hierarchie ("oberflächliche/tiefe Störungen)
* Vorteile:
** Reduktion der Komplexität &rarr; einfach
** Operationalisierung &rarr; Reliabilität, Validität, leichtere Komunikation
** leichtere Dokumentation
** Fallidentifikation in Epidemiologie
* Nachteile:
** nur Syndromdiagnose, keine Ätiologie
** nicht ausreichend für Therapieindikation &rarr; zusätzliche Diagnostik erforderlich
** Verarmung der psychopathologischen Befundes, verminderte Anschaulichkeit
** Gefahr der kategorialen Fehlzuordnung
** klinisch oft Unterschätzung, durch strukturierte Interviews oft Überschätzung der Komorbidität
* "Störung" statt Krankheit/Erkrankung
* Vermeidung von ätiologischen Begriffen wie psychogen, psychosomatisch, endogen, Neurose
 
== multiaxiale Diagnostik ==
 
* ICD-10:
** I  Störungen:
** I a  Psychische Störungen
** I b  Persönlichkeitsstörungen
** I c  Störungen durch psychotrope Substanzen
** I d  körperliche Störungen
** II  soziale Funktionseinschränkung
** III psychosoziale Belastungsfaktoren
* [[OPD]]
* [[Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kinder- und Jugendalters]]
 
[[Kategorie:Diagnostik]]

Aktuelle Version vom 7. März 2016, 12:48 Uhr

  • Einteilungsmerkmale:
    • Symptomatik
    • Zeit und Verlauf
    • Ätiologie
  • Nomenklatur = Begriffsdefinitionen
  • Nosologie = Krankheitslehre, Einteilung von Krankheiten / Entitäten
    • Annahme: eindeutige Ätiologie, spezifische Symptomatik, typischer Verlauf/Progrone, Therapie
    • bei psychischen Krankheiten nicht möglich
  • Krankheit = "ein Fall von..."
  • Syndrom = Zustandsbild
  • Klassifikation:
    • dimensional: Schweregrad
    • kategorial: Zuordnung zu Kategorie
    • Typen = typische Gebilde (z.B. Persönlichkeitsstörungen)

klinische Diagnostik

  • psychoanalytisches Erstgespräch:
    • Übertragung/Gegenübertragung
    • gleichschwebende Aufmerksamkeit
  • interaktionelles Interview nach Balint:
  • biographische Anamnese nach Dührssen/Rudolf
  • strukturelles Interview nach Kernberg: Persönlichkeitsorganisation, Funktionsniveau (neurotisch/Borderline/psychotisch)
  • OPD
  • Verhaltensbeobachtung:
    • beobachtbar
    • subjektiv
    • physiologisch (→ BFB)
  • Verhaltenstest:
    • in sensu: Imagination
    • in vivo: Experiment, Rollenspiel
    • in vitro: Virtual Reality
  • Selbstbeobachtung: Tagebücher, Protokolle → nicht zu lange, in Therapie besprechen → Motivation
  • soziale Anamnese:
    • Stressoren, typische Stressreaktion
    • Arbeit
    • Freizeit
    • Wohnsituation
    • soziale Anamnese
  • Rollenkonflikte::
    • Intra-Rollenkonflikt: z.B. Arzt → Patient, Arbeitgeber, Krankenkasse, Gemeinschaft, ...
    • Inter-Rollenkonflikt: z.B. Beruf + Familie
  • soziale Unterstützung:
    • emotional
    • materiell/praktisch
    • soziale Unterstützung
  • körperliche Untersuchung:
    • essentiell!
    • Patient → mit körperlichen Beschwerden angenommen, "abgeholt"
    • intensiviert Beziehung
    • Informationen auf Sach- und Beziehungsebene
    • Übertragung/Gegenübertragung

Klassifikationssysteme

  • ICD-10, DSM-IV / V
  • deskriptiv-phänomenologisch = rein symptomorientiert → Syndromdiagnose
  • operationalisierte Diagnostik:
    • Ein-/Ausschlusskriterien, Zeit-/Verlaufskriterien
    • Verknüpfungsregeln → Entscheidungsbäume → IDCL
  • multiaxiale Ansätze
  • Komorbiditätsprinzip → Haupt-/Nebendiagnosen → Abkehr von Hierarchie ("oberflächliche/tiefe Störungen)
  • Vorteile:
    • Reduktion der Komplexität → einfach
    • Operationalisierung → Reliabilität, Validität, leichtere Komunikation
    • leichtere Dokumentation
    • Fallidentifikation in Epidemiologie
  • Nachteile:
    • nur Syndromdiagnose, keine Ätiologie
    • nicht ausreichend für Therapieindikation → zusätzliche Diagnostik erforderlich
    • Verarmung der psychopathologischen Befundes, verminderte Anschaulichkeit
    • Gefahr der kategorialen Fehlzuordnung
    • klinisch oft Unterschätzung, durch strukturierte Interviews oft Überschätzung der Komorbidität
  • "Störung" statt Krankheit/Erkrankung
  • Vermeidung von ätiologischen Begriffen wie psychogen, psychosomatisch, endogen, Neurose

multiaxiale Diagnostik