Gestalttherapie

Aus psych-med
Version vom 14. Dezember 2016, 13:00 Uhr von Daniel (Diskussion | Beiträge) (→‎dialogisches Prinzip)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Grundlagen

  • Fritz und Laura Perls, Paul Goodmann
  • 1951 Hauptwerk "Gestalttherapie"
  • nach Trennung:
    • Fritz Perls → eher harter, oft konfrontativer "Westküstenstil"
    • Laura Perls → weicherer und integrativer "Ostküstenstil"
  • phänomenologisch, erfahrungs- und erlebensorientiert
  • Ziel: Stimmigkeit und Integration psychischer Prozesse/(abgewehrter) Anteile, Reifung der Persönlichkeit nach innen und außen
  • Gesundheit = guter innerer und äußerer Kontakt
  • Entwicklung aus Psychoanalyse → Kritik und Abgrenzung
  • Merkmale/Ziele:
    • Bewusstheit/Gewahrsein ("awareness") für alle gerade vorhandenen Gefühle, Gedanken, Empfindungen, Verhaltensweisen
    • Erkennen automatisierter/unbewusster Verhaltensmuster → Entscheidungsmöglichkeit
    • konkrete Arbeit an aktuellen Situationen und an der Beziehung zwischen Klient und Therapeut
    • Therapeut als partnerschaftlichen Begleiter → Techniken/Übungen gemeinsam entwickeln = Angebot
    • Ziele insgesamt und im Einzelfall immer transparent

Begriffe

Gestalt

  • = ein sinnvolles Ganzes, Sinn, Struktur, kohärente Gesamtheit
  • entsteht im Vordergrund vor einem Hintergrund (→ Gestaltpsychologie, Wahrnehmungspsychologie)
  • Wirklichkeit von vereinzelten Sinnesqualitäten/Einzelelemente wird verneint → Wahrnehmung nur als sinnvolle Ganzheiten = "Gestalten" möglich
  • Wahrnehmung, soziales Leben, Eigenexistenz → Ausdruck einer komplexen Sinngebung
  • "Das Ganze ist mehr/anders als die Summe seiner Einzelelemente"
  • Bedürfnis = offene Gestalt → taucht aus/vor Hintergrund auf → wird im Vordergrund zur Figur → muss geschlossen werden → taucht wieder in Hintergrund ein

Gewahrsein (awareness)

  • = Achtsamkeit
  • Ziel: Reaktivierung und Wahrnehmung emotionaler Bedürfnisse → Überwindung der Kontaktstörung
  • Prinzip des Hier-und-Jetzt: gegenwärtige Situation = Ort der Veränderung

dialogisches Prinzip

  • existentielle Beziehungsphilosophie (Martin Buber):
    1. Handeln aus Ich-Es-Haltung = sachlich, auf ein Objekt bezogen
    2. Handeln aus Ich-Du-Haltung = Hinwendung auf gleicher Ebene, Wertschätzung der Einzigartigkeit, nicht zweckgerichtet
  • letztere grundlegend für Gestalttherapie → hohes Maß an Authentizität/Wahrhaftigkeit

Kontaktfunktionen

  • Projektion
  • Introjektion
  • Retroflektion
  • Konfluenz: typisch → Dependenz, Konfliktvermeidung, Harmoniesucht
  • Deflektion
  • → Kontaktstörungen/-unterbrechungen, aber auch Problemlösungscharakter/Selbstregulation
  • DD
    • Assimilation: Neues aus der Umwelt → Kontaktgrenze → Prüfung, "Zerstörung", brauchbare Umwandlung, Aufnahme in Eigenes (→ positive Aggression) = "Kauen"
    • Introjektion: Aufnahme von Neuem als Ganzes, ohne Prüfung/"Zerstörung"/Umwandlung → "Konfluenz" = Mangel an Bewusstheit für Kontaktgrenze und/oder mangelnde "Aggression" → Fremdkörper = Saugen + Schlucken

Kontaktstörung

  • "unabgeschlossene Gestalt" → Anpassungsprozess (=Kontaktprozess zwischen Organismus/Psyche und Umwelt) unvollständig
  • "geschlossene (=vollständige) Gestalt" = abgeschlossene Anpassungsleistung

Ganzheit, Feld, Prozess

  • Ganzheitlich =
    • Einheit von Körper, Geist, Seele
    • Verbindung mit Umwelt = "Organismus-Umwelt-Feld"
  • "Kontaktgrenze" = Trennung und Verbindung
  • Kontakt = Prozess des Austauschs, Assimilation, Wachstum → Bewegung, Handeln, Denken, Fühlen → Orientierung im Feld
  • "Selbst" = Prozess = ""System der ständig neuen Kontakte"
  • "Ich" = Teilfunktion des "Selbst" → Unterscheidung "zu mir gehörend" ↔ "fremd"

Prinzipien

  • dialogisch: gemeinsame, authentische Arbeit an Themen, transparent, reflektiert
  • feldtheoretisch: Erforschung der Anpassungsprozesse an (Um)"Feld", Wechsel der Perspektive, Gewahrsein, bewusste Entscheidung, Suche nach inneren/äußeren Ressourcen
  • phänomenologisch: Aufgabe des Therapeuten → Achtsamkeit = Weglassen von Vorannahmen, Vermutungen, Erwartungen → Offenheit für Erfahrung im Hier und Jetzt; Beschreiben vor Interpretieren; möglichst alle Qualitäten erfassend
  • existentialistisch: eigene Verantwortung für Wahrnehmung der Welt, Bedeutungszuschreibung und Handlung

Techniken

  • fünf Typen:
    1. Übungen: bewusst hergestellte Situation zur allgemeinen Förderung der Wahrnehmung, Erleben und Handeln
    2. Experimente: ausprobieren und erforschen → konkrete Situation → Lernerfahrung
    3. Hausaufgaben: gemeinsam vereinbarte Experimente außerhalb der Therapie
    4. Situationsbezogene Interventionen: kurze, auf konkrete Situation bezogene Aussagen oder Fragen → persönlicher Resonanz/Reaktion des Therapeuten (→ dialogisch)
    5. Medien und Modalitäten: Wahrnehmung und Arbeit mit Sprache + Körper → Atmung, Stimme, Gestik/Mimik + Gegenständen ("leerer Stuhl")