DBT-PTSD: Unterschied zwischen den Versionen

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nach einem Workshop von Prof. Bohus am 06.07.2016 in der Schön Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee
== Grundlagen ==
== Grundlagen ==


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* primäres Ziel: Überleben
* primäres Ziel: Überleben
* Probleme:
* gleichzeitig:
** "Du musst in Deiner Familie leben"
** "Du musst in Deiner Familie leben"
** "Du musst emotional an Deine Familie gebunden sein."
** "Du musst emotional an Deine Familie gebunden sein."
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** '''Schuld''': "Ich verhalte mich falsch"
** '''Schuld''': "Ich verhalte mich falsch"
** '''Scham''': "Ich bin falsch" → "wenn andere bemerken, wie ich wirklich bin, werden sie mich zurückweisen"
** '''Scham''': "Ich bin falsch" → "wenn andere bemerken, wie ich wirklich bin, werden sie mich zurückweisen"
* * dahinter: existentielle Ohnmacht und Angst = primäre Emotionen
** dahinter: existentielle Ohnmacht und Angst = primäre Emotionen
* zentrales Problem:
** Stimulus → primäre Emotion → '''Trauma-assoziiertes Netzwerk''' → Flucht/Vermeidung → keine Modifikation
** prim. Emotion = während des Traumas → individuell genau eruieren: Ohnmacht, Ekel, Angst, Wut, Verwirrung, Demütigung, Entsetzen, sexuelle Erregung, Unwirklichkeit
** assoziierte Emotionen und mögliche Auslöser: Nähe, Verbundenheit, Stolz, Gefühl des "Besonderen"
* Escape-Mechanismen (mit Listen abfragen):
** Verhalten: Suizid, SV, Risikoverhalten, Abusus, Promiskuität, Hygiene(zwänge), Erbrechen
** kognitiv: Suizidgedanken, kogn. ablenken, Grübeln, Verleugnen, Verharmlosen, Entpersonalisieren
** emotional: Dissoziation, Depression, Wut, Schuld, Scham, Selbsthass, Selbstverachtung
 
== praktische Hinweise ==
 
* möglichst viel über Fragebögen/Listen abfragen → weniger Scham, nichts übersehen
* im Gespräch wenig offene Fragen, mehr konkrete Vorschläge:
** "Viele Patientinnen berichten, dass ... Kennen Sie das auch?"
** "Viele Patientinnen haben Angst, darüber zu sprechen, weil ... (Verbote) Ist das bei Ihnen auch so?
* Thema Sexualität:
** meistens Sex → Dissoziation
** aber auch: aktive Erinnerung an Trauma → sexuelle Erregung
* Thema Essen/Trinken:
** häufig Trinkvermeidung (Ekel) → erfragen, Glas Wasser trinken lassen
* therapeutische Beziehung: Risiko
** → je sympathischer der Therapeut, desto mehr Scham der Patientin
** nicht Freund, sondern Experte → Kompetenz durch aktives Ansprechen/Benennen von Themen, keine Tabus/Hemmungen, "alles schon gehört"
* kein nachgewiesener Unterschied männlicher/weiblicher Therapeut → beide (Mit-)Täter, Übertragungsphänomene
* klarmachen: Wahrnehmung/Erinnerung aus Sicht des Kindes! z.B. Größenverhältnisse, Gefühle
* viel Erklären: "trickreiches Gehirn"


== Ergebnisse ==
== Ergebnisse ==

Version vom 7. Juli 2016, 13:34 Uhr

nach einem Workshop von Prof. Bohus am 06.07.2016 in der Schön Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee

Grundlagen

  • entwickelt von Bohus et al.
  • entstanden aus DBT mit Borderline-Patientinnen: in Nachbeobachtung 30% chronifiziert → alle mit komplexer PTSD

Inhalte

  • modulare Konzeption
  • 12 Wochen stationär oder 40h ambulant
  • Elemente:
    • aus DBT: Regeln/Prinzipien, Skills, therapeutische Beziehungsgestaltung
    • traumafokussiert: kognitiv, Exposition
    • Compassion focused therapy: Mentalisierung, Imagination
    • ACT: Akzeptanz, Werte/Ziele

Theorie

  • primäres Ziel: Überleben
  • gleichzeitig:
    • "Du musst in Deiner Familie leben"
    • "Du musst emotional an Deine Familie gebunden sein."
    • "Du musst Deine Eltern lieben"
  • → einzige "Lösung": "Du bist diejenige, die schuld daran ist, dass dies alles geschieht."
  • evolutionär: Gruppenzugehörigkeit siegt immer über Selbstwert (überlebenswichtig)
  • → Coping-Mechanismus, um weiter zur Familie zu gehören = sekundäre Emotionen:
    • Schuld: "Ich verhalte mich falsch"
    • Scham: "Ich bin falsch" → "wenn andere bemerken, wie ich wirklich bin, werden sie mich zurückweisen"
    • dahinter: existentielle Ohnmacht und Angst = primäre Emotionen
  • zentrales Problem:
    • Stimulus → primäre Emotion → Trauma-assoziiertes Netzwerk → Flucht/Vermeidung → keine Modifikation
    • prim. Emotion = während des Traumas → individuell genau eruieren: Ohnmacht, Ekel, Angst, Wut, Verwirrung, Demütigung, Entsetzen, sexuelle Erregung, Unwirklichkeit
    • assoziierte Emotionen und mögliche Auslöser: Nähe, Verbundenheit, Stolz, Gefühl des "Besonderen"
  • Escape-Mechanismen (mit Listen abfragen):
    • Verhalten: Suizid, SV, Risikoverhalten, Abusus, Promiskuität, Hygiene(zwänge), Erbrechen
    • kognitiv: Suizidgedanken, kogn. ablenken, Grübeln, Verleugnen, Verharmlosen, Entpersonalisieren
    • emotional: Dissoziation, Depression, Wut, Schuld, Scham, Selbsthass, Selbstverachtung

praktische Hinweise

  • möglichst viel über Fragebögen/Listen abfragen → weniger Scham, nichts übersehen
  • im Gespräch wenig offene Fragen, mehr konkrete Vorschläge:
    • "Viele Patientinnen berichten, dass ... Kennen Sie das auch?"
    • "Viele Patientinnen haben Angst, darüber zu sprechen, weil ... (Verbote) Ist das bei Ihnen auch so?
  • Thema Sexualität:
    • meistens Sex → Dissoziation
    • aber auch: aktive Erinnerung an Trauma → sexuelle Erregung
  • Thema Essen/Trinken:
    • häufig Trinkvermeidung (Ekel) → erfragen, Glas Wasser trinken lassen
  • therapeutische Beziehung: Risiko
    • → je sympathischer der Therapeut, desto mehr Scham der Patientin
    • nicht Freund, sondern Experte → Kompetenz durch aktives Ansprechen/Benennen von Themen, keine Tabus/Hemmungen, "alles schon gehört"
  • kein nachgewiesener Unterschied männlicher/weiblicher Therapeut → beide (Mit-)Täter, Übertragungsphänomene
  • klarmachen: Wahrnehmung/Erinnerung aus Sicht des Kindes! z.B. Größenverhältnisse, Gefühle
  • viel Erklären: "trickreiches Gehirn"

Ergebnisse

  • PITT wirkungslos → Stabilisation nicht erforderlich
  • Standard-DBT: kaum wirksam
  • Selbstverletzung, SV-Druck, Suizidalität und Suizidgedanken steigen nicht an!

= Fragebögen

  • CAPS = Clinician-Administered PTSD Scale
  • PDS = Posttraumatic Diagnostic Scale
  • BSL = Borderline Symptom Liste
  • FDS = Fragebogen für dissoziative Symptome
  • SCL = Symptomcheckliste