Ego-State-Therapie

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  • John Watkins (1913–2012), Hypnotherapeut
  • Entwicklung aus/Methode für Traumatherapie
  • Theorie: Persönlichkeit = verschiedene Ich-Anteile (Ego States) = "Unter-Persönlichkeiten"
  • siehe auch Inneres Team:
    • normal ca.5–15 Ich-Zustände
    • bewusst, vom Ich gelenkt, Umschaltung je nach Bedarf
    • entstehen in Kindheit → normale Entwicklung
  1. Gesunde Ich-Anteile:
    • "Alltags-Team" → "der kompetente Fachmann", "der gute Gastgeber", "der coole Typ", "der begeisterte Radrennfahrer"
  2. Ungesunde integrierte Anteile
    • zwischen gesunden und abgespaltenen Anteilen → bewusst zugänglich
    • zum Kennenlernen "auf die innere Bühne bitten" (Imagination) → "Was ist die Aufgabe dieses Anteils?" → ursprünglicher Ego State
  3. Abgespaltene Ich-Anteile:

Mit traumatisch verletzenden Situationen verbundene Gefühle können so stark sein, dass Menschen sie nicht aushalten. Auch konfliktbeladene Situationen können an einen Menschen Forderungen stellen, worauf er noch „keine Antwort“ hat und die eine entsprechend tiefe Angst auslösen können. Dagegen wird ein Abwehrmechanismus aufgebaut. Eine Form ist die Abspaltung von Ich-Anteilen. In diesen sind Gefühle und Energien ungelöster Traumata abgespeichert. Es können spezielle Formen und Aufgaben solcher Ich-Anteile unterschieden werden: „Verfolger“, radikale Helfer, Täter-Introjekte (täteridentifizierter Anteil), Angreifer, Mittäter-Introjekte (täterloyale Anteile). Einzelne Ich-Anteile können sich auch überlagern und ggf. gegenseitig verstärken, wie z. B. täteridentifizierte und täterloyale Anteile. In idealer Reinform tritt ein einzelner Ich-Anteil selten zu Tage.

Als Beispiel sei ein Mensch betrachtet, der von Kindheit an von einem Familienmitglied misshandelt wird, inzwischen als Erwachsener in einer eigenen Wohnung lebt, und vom Täter weiterhin zu Gewalthandlungen aufgesucht wird. Sein gesunder, in der Therapie kontaktierbarer Ich-Anteil kann die neue Information lernen „Du musst ihn nicht reinlassen.“ Das wird den Menschen zwar stärken, dennoch sagt er z. B. „Ja, aber ich kann es nicht versprechen.“ Denn da gibt es auch noch den täteridentifizierten Anteil, der glaubt, gemäß der früheren Erfahrung den Menschen weiterhin (relativ) schützen zu müssen, indem er tut, was der Täter verlangt. So kann es zu der kontinuierten Entscheidung kommen, den Täter wider besseres Wissen immer wieder in die eigene Wohnung einzulassen, nach dem alten Motto: „Du musst tun was er will, sonst schlägt er Dich tot“. Dieser Anteil ist abgespalten und unterliegt nicht der Ich-Kontrolle.

Abgespaltene Ich-Anteile erscheinen so, als hätten sie eine „eigene Persönlichkeit“, mit „eigenen“ Gefühlen und Gedanken. Sie halten ihre Existenz für hilfreich und überlebenswichtig, sind potentiell auch auf lebenslanges Bestehen angelegt. Manche „kennen“ sich gegenseitig und sind miteinander in Kontakt. Andere sind gänzlich abgespalten (Untergrund-Ich-Anteile); die Kern-Persönlichkeit ist nicht mehr in Kontakt mit ihnen und sie sind oft nur noch mittels Hypnose oder Trance zugänglich.

Siehe auch: Dissoziative Identitätsstörung.

Solche Ich-Anteile sind nicht zu verwechseln mit im Zuge der psychosozialen Entwicklung aufgenommenen Introjekten, also inneren Abbildern von Personen, die uns wichtig waren und deren Werte, Normen und Verhaltensmuster wir in uns aufgenommen haben. Introjekte starten nicht als Abwehrmechanismen und sind auch ohne Hypnose oder Trance im therapeutischen Gespräch zugänglich für die Aufnahme neuer, realer Informationen (lassen ein „Update“ ihrerselbst zu). Lautet beispielsweise ein überbrachtes Gesetz (Introjekt) einer wichtigen Bezugsperson aus der Kindheit „Du darfst nicht weinen“, so kann der innere Anteil, der das vertritt, in der Therapie nach und nach umlernen, bis das neue, eigene Gesetz schließlich lautet „Du darfst weinen soviel Du willst“. Introjekte bestehen nicht darauf zu bleiben (wie die Ego States); man kann sie ändern oder auffordern zu gehen. Ziele

Oberstes Ziel der Ego-State-Therapie ist, den Stress im inneren System zu reduzieren und die Energie wieder auf die Gestaltung eines erfüllten Lebens auszurichten. Der Patient soll lernen, die unterschiedlichen Persönlichkeitsanteile (die damit verbundenen Bedürfnisse und Standpunkte) besser miteinander abzustimmen und sich für die wesentlichen zu entscheiden und entsprechend zu handeln. Je nach Schweregrad der Störung können die Ich-Anteile vollständig integriert werden (Inneres Team), oder sie werden, nun gelenkt vom eigenen Selbst, symbolisch weiterhin als „eigene Persönlichkeiten“ betrachtet, aber jetzt konstruktiv-integrativ eingesetzt. Methoden

Die abgespaltenen Ich-Anteile sind ein Teil vom eigenen Selbst. Deshalb ist es wichtig, sie als wertvolle Ressource anzunehmen. Sie haben treu und zuverlässig über lange Jahre genau das getan, womit sie einst beauftragt wurden. Auch wenn sie heute nicht mehr angemessen für das Selbst des Patienten sorgen können.

Die Therapie erfolgt in vier Phasen:

   innere Sicherheit schaffen
   Trauma finden, Ressourcen klären
   stabilisieren, Traumaerfahrung durcharbeiten
   Erfahrungen integrieren, Persönlichkeit und Identität festigen

In der Therapie kann der Therapeut einen Ich-Anteil direkt ansprechen. Er wird so symbolisch-imaginativ aktiviert und kann zu seiner Geschichte, zu seinen Erfahrungen, seiner Aufgabe, seinen Zielen, Gedanken, Wünschen, Hoffnungen und Ängsten direkt befragt werden. Im „Gespräch“ des Therapeuten beziehungsweise des Patienten mit dem Ich-Anteil und der Ich-Anteile untereinander können sich diese verändern und entwickeln. Der Patient kann die „Ich-Anteile“ mit neuen Daten zur aktuellen Realität versorgen und lernen, die in diesen Ich-Anteilen enthaltenen Erfahrungen und Ideen selbst zu steuern und zu integrieren und die oft verborgenen Ressourcen zu nutzen.

Verfestigte Ich-Anteile „fürchten“ häufig, sich auflösen oder verschwinden zu sollen, wenn sie in der therapeutischen Arbeit „entdeckt“ werden. Deshalb ist es wichtig, ihre bisherigen Verdienste zu würdigen, so paradox es erscheinen mag, und ihnen Unterstützung zukommen zu lassen oder ihnen neue wichtige Aufgaben zuzuweisen, denen sie sich gewachsen fühlen, sie also somit neu zu integrieren.

Siehe auch die Methoden in: Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie. Einordnung des Therapieansatzes

Aufbauend auf der Erkenntnis, dass der Mensch verschiedene innere Anteile entwickeln kann, entstanden unterschiedliche therapeutische Herangehensweisen. Beispielsweise flossen die von Sigmund Freud benannten Anteile Es – Ich – Über-Ich in die psychoanalytisch/tiefenpsychologisch orientierten Therapieansätze ein. Die Arbeit mit dem Inneren Kind kam auf und fand u. a. Niederschlag in der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie von Reddemann. Therapeuten, die mit schwer traumatisierten Menschen arbeiteten, stellten fest, dass diese Konzepte noch nicht weit genug gingen. Es entwickelten sich neue Ansätze, die von vielen inneren Anteilen (Ego State Modell) innerhalb einer Person ausgehen, welche beschreibbar und einzuordnen und in ähnlicher Form auch bei anderen Menschen wieder zu finden sind. Oftmals werden die verschiedenen Therapieansätze auch miteinander kombiniert wie es in der Psychotherapie heute ohnehin üblich geworden ist.

Für die Integrationsarbeit in der DIS-Therapie (Arbeit mit dissoziierten Menschen) finden aktuell z. B. Anwendung: das zielorientierte Integrationsmodell (The Tactical Integrationa Modell von Fine 1991, 1993, 1996, 1999), das strategische Integrationsmodell (Kluft 1988) und das Modell der Ego States von Watkins & Watkins. Dabei zielen die beiden ersten Modelle auf eine vollständige Integration zu einer Ganzheit der Person. Das persönlichkeitsorientierte Modell der Ego States hat eine funktionierende und zufriedenstellende Zusammenarbeit der verschiedenen Teilpersönlichkeiten und/oder Ich-Zustände zum Ziel. Wirksamkeitsnachweis

Ein Nachweis der besonderen Wirksamkeit dieses speziellen Therapieansatzes konnte nicht erbracht werden.