Zwangsstörungen: Unterschied zwischen den Versionen

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(kein Unterschied)

Version vom 8. Februar 2014, 10:22 Uhr

Kognitiv-behaviorales Modell

nach Salkovski

  • zwei Komponenten mit unterschiedlicher Funktion:
    1. Stimuluskomponente
    2. Reaktionskomponente + Filterprozess


  1. Aufdringlicher Gedanke
    • Elemente der menschlichen Informationsverarbeitung (Situationsbeschreibung)
    • Willkürlich auftretende Gedanken (Intrusionen)
    • Bsp.: „Ich könnte ein Kind verletzen…“
  2. Filterprozess
    • Durch Prozess der Selektion und Bewertung erlangen aufdringliche Gedanken eine Bedeutung
    • Dysfunktionale Schemata greifen in diesen Prozess ein
      → Katastrophisierende Fehlinterpretation
      → Gedanken werden als höchst relevant, negativ und nicht zulässig erlebt
    • Dysfunktionale Schemata aktivieren Metakognitionen:
      1. Thought-action fusion: "Wenn ich etwas denke, werde ich es auch tun."
      2. Thought-event fusion: "Wenn ich etwas denke, wird es Realität."
      3. Thought-object fusion: Wenn ich etwas denke, wird es auf einen Gegenstand überspringen / er wird kontaminiert werden."
  3. Emotionale Reaktion
    • Durch die Bewertung des Gedankens wird Unruhe, Erregung oder Angst ausgelöst
  4. Neutralisierung
    • Emotionale Reaktion impliziert einen Handlungsbedarf
      → Ausführung des eigentlichen Zwanges
    • kann sowohl auf der Handlungs- als auch kognitiven Ebene stattfinden
    • Funktion: Abwenden von der mit dem aufdringlichen Gedanken verbundenen Gefahr
  5. Rückkoppelungsprozess
    • Neutralisierung
      1. wirkt kurzfristig angstreduzierend → Bestätigung für die Wirksamkeit des Verhaltens als präventive Maßnahme
      2. verstärkt dysfunktionale Annahmen über Verantwortung für Nichteintreten der Katastrophe ("omission bias")
      3. erhöht Bedeutsamkeit und damit Auftretenshäufigkeit der aufdringlichen Gedanken
    • Unterdrückung der Gedanken
      • Der Versuch, die Gedanken zu unterdrücken, ist ein weiteres Signal für deren Bedeutsamkeit
        → führt zu vermehrtem Auftreten der Gedanken (Aufschaukelungsprozess)
    • Affektive Störungen haben insofern Einfluss, als Stimmungsbeeinträchtigungen die Zugänglichkeit und Akzeptanz der dysfunktionalen Schemata erhöhen
      → ungünstige Beeinflussung der Relevanz und Frequenz der aufdringlichen Gedanken
    • Entscheidend im Modell sind die inadäquaten Bewertungsprozesse:
      • Wahrnehmung einer Bedrohung
      • Überschätzung der persönlichen Verantwortung
    • beide Überzeugungen interagieren miteinander und potenzieren sich in ihrer negativen Wirkung
    • Gefahr = Wahrscheinlichkeit x Konsequenzen

Netzwerktheorie nach Foa et al.

  • Ergänzung zu kognitiven Modellen
  • Fokus auf Struktur der Emotions- und Informationsverarbeitungsprozessen
  • Ausgangspunkt: Emotionen werden in Form einer Netzwerkstruktur im Gedächtnis abgebildet
  • Drei Arten von Infos, die über assoziative Verknüpfungen miteinander verbunden sind:
    1. Angstauslösende Stimulusbedingungen
    2. Verbale, physiologische und behaviorale Reaktionsmöglichkeiten
    3. Bedeutung dieser Reiz- und Reaktionselemente
  • Angstnetzwerke sind im Vergleich zu normalen Gedächtnisstrukturen…
    • kohärent
      • sehr verzweigte Netzwerke
      • bereits minimale Info reicht aus, gesamte Struktur zu aktivieren und Angst auszulösen.
    • stabil
      • korrektive Infos können schlecht integriert werden
    • irrational
  • Patienten weisen kognitive Beeinträchtigungen in vier Bereichen auf:
    1. Überschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Schadens/Unglücks
    2. Überschätzung der Konsequenzen eines Schadens/einer Handlung
    3. Überschätzung der eigenen Verantwortung
    4. Überschätzung der Bedeutung der Zwangsgedanken
    5. Übertriebenes Sicherheit- und Kontrollbedürfnis
    6. Magisches Denken

Symptome (aus wikipedia)

Zwangsgedanken

  • inhaltliche Denkstörungen im Sinne sich zwanghaft immer wieder aufdrängender, jedoch als unsinnig erkannter Denkinhalte
  • häufig auch formale Denkstörungen (Perseverationen, Gedankenkreisen/Gedankenarmut, überwertige Ideen)


  • Zwangsideen/Zwangsbefürchtungen/Zwangsvorstellungen: z.B. Befürchtung, etwas nicht richtig gemacht zu haben; Angst, dass dem Ehepartner etwas Schlimmes zustoßen könnte
  • Zwangsimpulse: z.B. schädigende Handlungen gegen sich oder andere
  • Grübelzwang: bestimmte Gedanken müssen wieder und wieder durchdacht werden ohne Möglichkeit, dabei zu einer Entscheidung oder zu einer Lösung zu kommen
  • quälende Zweifel: Unsicherheit, Handlungen nicht zufrieden stellend abgeschlossen, etwas falsch verstanden, getan oder unterlassen zu haben


häufige Themen:

  • Schmutz oder Verseuchung (Exkremente, Schmutz, Staub, Samen, Menstruationsblut, Keime, Infektionen)
  • Gewalt und Aggression (körperlicher oder verbaler Angriff auf sich selbst oder andere Personen; Unfälle, Missgeschick, Krieg, Katastrophen, Tod)
  • Ordnung (Ordentlichkeit, Symmetriebestrebungen usw.)
  • Religion/Magie (Existenz Gottes, religiöse Praktiken und Rituale, Glaubenssätze, moralische Einstellungen)
  • Sexualität (sexuelle Handlungen an sich oder anderen, inzestuöse Impulse, sexuelle Leistungsfähigkeit)

Zwangshandlungen

  • Handlungsstereotypien
  • Ich-dyston
  • teilweise Zwangsritual


Beispiele:

  • Reinlichkeitszwang, z.B. Waschzwang
  • Kontrollzwang: ständige Überprüfung von bestimmten Dingen, wie Herdplatten, Türschlössern, Gashähnen, Aschenbechern, wichtigen Papieren
  • Ordnungszwang: es wird versucht, in der Umgebung immerzu Symmetrie, Ordnung oder ein Gleichgewicht herzustellen, indem Dinge wie Bücher, Kleidung oder Nahrungsmittel nach strengen Regeln perfekt geordnet sind
  • Berührzwang = Zwang, Dinge anzufassen oder gerade nicht anzufassen
  • Zählzwang (Arithmomanie) = alle Dinge, die im Alltag auftauchen, werden gezählt
  • verbale Zwänge = Ausdrücke, Sätze oder Melodien werden immer wieder wiederholt

Diagnostik

  • Zwangshierarchie = Angsthierarchie (Gedanken, Handlungen)
  • Y-BOCS
  • Vermeidungsverhalten

Therapie

  • Standard: Exposition mit Reaktionsverhinderung (ERP) mit/ohne begleitende kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
  • Alternative: Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT)
  • Fevarin / Paroxetin
  • Stichtag

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