Sexualtherapie

Aus psych-med

Grundlagen

  • sexuelle "Störung" = Ausprägungen des Sexualverhaltens/sexuellen Erlebens, welche den/die Betroffene "stört"
  • Ursachen:
    • Beziehungsprobleme
    • psychische Störungen
    • verletzende Erfahrungen, kindliche Traumata
    • konkurrierende Normen
    • körperliche Probleme

Diagnose

  • Ausschluss körperlicher Ursachen
  • Symptomamnese:
    • Beginn, Verlauf
    • Beständigkeit, Ausmaß
    • Abhängigkeit von Sexpraxis, Partner, Situation (z.B. auch bei Masturbation?)
  • erweitere Sexualanamnese:
    • Sexualanamnese (sexuelle Entwicklung)
    • Familienanamnese (Werte und Normen, Umgang mit Sexualität in Ursprungsfamilie)
    • aktuelle Beziehung (Kennenlernen, weiterer Verlauf, aktueller Stand)
    • aktuelles Sexualleben (Lust, Erregung, Kontakt, Orgasmus)

Formen

  • Libido/Appetenzstörungen, Lustlosigkeit
    • meistens mangelnde Kommunikation in Beziehung
    • Ängste und Unsicherheiten
    • abgewehrte Bedürfnisse → Werte und Normen
    • Angst, Scham, Ekel
    • Ausdruck eines Paarkonfliktes
  • Impotenz
    • Mann: erektile Dysfunktion = ungenügende Steifigkeit, vorzeitige Erschlaffung
    • Frau: Lubrikationsstörung, oft in Schwangerschaft oder Wechseljahren
  • Orgasmusstörung
    • Mann: zu früher/gar keinen Samenerguss, Ejakulation ohne Empfindung
    • Frau: fehlender Orgasmus

Körperliche und medizinische Störungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alkohol verhindert Sex (negative Wirkung ab 0,4 ‰), ebenso Übermüdung und Stress. Drogen und viele Medikamente (bei Psychopharmaka 50 % aller Langzeittherapien) führen zu sexuellen Störungen. 56 % der Raucher leiden an sexuellen Störungen. Bei Bluthochdruck leiden 17 % der unbehandelten und 25 % der behandelten Männern an Erektionsstörungen. Gefäßverkalkung (Arteriosklerose). 5 % der Störungen sind Hormonstörungen (Testosteronmangel). 90 % der MS-Patienten leiden an Impotenz. Viele Störungen sind Folge einer Genitaloperation (Prostata). Körperliche Behinderungen können ein normales Sexualleben schwierig machen.

Unerfüllter Kinderwunsch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einige Sexualstörungen führen zu verminderter Zeugungsfähigkeit beim Mann und/oder verminderter Fruchtbarkeit bei der Frau. Für Paare mit Kinderwunsch ist das eine große Not. Zur Behandlung siehe auch: Unfruchtbarkeit.



Weitere sexuelle Störungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu nennen sind hier u. a. Störungen der Geschlechtsidentität (Menschen die ihr physisch-biologisches Geschlecht nicht als ihr psychisch-soziales Geschlecht empfinden), wenn sie denn vom Betroffenen als Störung erlebt wird, störende Andersartigkeit (eine Neigung haben, die der Betroffene nicht haben will), Sexsucht, sowie sexuelle Straftaten (Missbrauch, Belästigung, Nötigung).

Von besonderer Bedeutung für die Sexualtherapie sind, Leidensdruck vorausgesetzt, auch die Paraphilien („Perversionen“), wie etwa Exhibitionismus, Fetischismus, Transfetischismus, Voyeurismus, Frotteurismus, Sadomasochismus, Sodomie, Erotophonie. Entscheidend für die Beurteilung ist die konkrete Ausprägung des Verhaltens, das eigene Leiden des Betroffenen, die mögliche Gefährdung Dritter und die Möglichkeit einer sexuellen Sucht (Stärke der Impulskontrolle). Bei pädophilen Neigungen sowie bei Paraphilien mit dem Risiko der Schädigung Dritter gilt eine heilkundlich-psychotherapeutische Sexualtherapie bei einem spezialisierten Sexualtherapeuten als zwingend geboten.[7]

Therapie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sexualtherapeuten arbeiten bisweilen in freier Praxis, oft aber auch in einer sexualtherapeutischen Ambulanz oder Beratungsstelle. Es gibt heilkundliche und nichtheilkundliche Therapieverfahren. Welches Vorgehen konkret gewählt wird, hängt von Art und Umfang der Fragestellung ab.

Bei schweren Störungen mit Krankheitswert, ist eine Psychotherapie oder Behandlung durch einen Facharzt für Psychiatrie angezeigt. Klassische Psychotherapie kann bei verschiedenen Indikationen notwendig werden. So zum Beispiel zur Behandlung von frühkindlichen Störungen, wenn der oder die Betroffene als kleines Kind zu wenig Zuwendung und Nähe erfahren hat oder in diesem Alter traumatisiert wurde. Bei tiefen Verletzungen, z. B. durch sexuellen Missbrauch, muss, bevor an der traumatischen Erfahrung gearbeitet werden kann, erst die dafür notwendige innere Distanz und innere Stärke aufgebaut werden. Häufig angewandte und von den Krankenkassen anerkannte Verfahren sind die Verhaltenstherapie, die Gesprächstherapie, die Psychoanalyse und die Tiefenpsychologie.

Oftmals ist im Rahmen einer Sexualtherapie notwendig, dass auf die funktionale Störung des Sexualverhaltens praktisch übend angegangen wird. Wegbereiter waren hier die Sexualtherapeuten Masters und Johnson. Sie entwickelten in den 1960er Jahren praktische Übungen und arbeiteten direkt am Sexualverhalten des Betroffenen. Die von Masters und Johnson entwickelte Methode wird als „sensate focus“ oder „sensate focusing“ bezeichnet.[8] Solche verhaltensorientierten und Paar-orientierten Übungen sind heute Bestandteil jeder guten Sexualtherapie. Bei den Übungen werden die Partner des Klienten (oder alternativ aber umstritten auch Surrogatpartner) als Hilfstherapeut eingesetzt. Dabei geht es um grundlegendes Wissen über den Körper und die sexuelle Energie, um die eigene Wahrnehmung über sich selbst und um die eigene Lust, die oft neu entdeckt werden muss. Es geht dabei auch um die Wahrnehmung des Partners und dessen Lust, um den Ausdruck von Wünschen und Gefühlen und das gemeinsame Gespräch, um Erfahrung und Übung von Atem, Berührung, Massage, Erregung und Erleben des Höhepunktes.

Systemische Paartherapie arbeitet an der Beziehung des Paares. Sexuelle Störungen können eine direkte Folge von Paarkonflikten sein. Auf jeden Fall aber haben sie direkte Auswirkungen auf die Paarbeziehung. So entsteht ein dichtes Netz von Wechselwirkungen, die sich gegenseitig aufschaukeln können und in der Therapie wieder entwirrt werden müssen. Zwischen den Sitzungen erhalten die Paare Hausaufgaben, um Gelerntes zu üben und neue Erfahrungen zu machen.

Die Beziehungsdynamische Sexualtherapie versteht die Sexualität als Symptom der Partnerschaft oder auch der verinnerlichten Beziehung von Individuen. Sexuelle Funktionsstörungen werden hier als Ausdruck von tabuisierten Kommunikationsinhalten verstanden. In diesem Ansatz wird daher besonders auf die Tabu- und Schattenaspekte fokussiert.

Besonders erfolgreich sind übergreifende integrierte sexualtherapeutische Verfahren, bei denen analytische, systemische, verhaltenstherapeutische und kathartische Methoden verbunden und die Sexualpartner in die Therapie einbezogen werden, oft ergänzt durch Selbsterfahrung in neotantrischen und therapeutischen Gruppen. Integrierte Ansätze sind in den USA verbreitet, in Deutschland noch selten. Die Verbindung von hypnotisierenden Verfahren mit dem Humanistischen Psychodrama (Gessmann, 1976) stellt eine Option dar.[9]

Zur Verbesserung des Sexuallebens im Alltag gibt es zudem Selbsthilfemöglichkeiten. Die bekanntesten sind: Gesprächstraining (Moeller), Partnerschaftseminare, „Tantraseminare“ (bei denen es genau genommen nicht um Tantra, sondern Neo-Tantra geht), Massageworkshops oder einfach ein abwechslungsreicheres Programm (erotische Massage, Verwöhn- und Wunsch-Tage, Phantasien erzählen und umsetzen, erotische Filme, Rollenspiele, ungewöhnliche Orte und vieles mehr).

In der Urologie werden Sexualstörungen meist als „Funktionsstörung“ betrachtet. Urologen sind spezialisiert auf chirurgische, medikamentöse und Hormon-Behandlung (beispielsweise Prostata-Operation, Sildenafilbehandlung, Testosteronbehandlung). Sexualtherapie gehört nur selten zum Angebot des Urologen.

In der Traditionellen Chinesischen Medizin betrachtet man Sexualstörungen nach der Fünf-Elemente-Lehre als Folge von „Schwäche des Nieren-Yang“ verbunden mit einem „Leber-Qi-Syndrom“ (wie auch die Depression) und behandelt mit entsprechender Akupunktur und Ernährungsverschreibungen (Zinkmangel = Testosteronmangel).